Aus Treitschkestraße wird Betty-Katz-Straße – eine längst überfällige Umbenennung in Steglitz

Ein neuer Name für eine alte Straße: Die Treitschkestraße in Steglitz soll zum 1. Oktober 2025 offiziell in Betty-Katz-Straße umbenannt werden. Damit endet ein langwieriger politischer Prozess und eine Debatte über historische Verantwortung, Erinnerungskultur und die Bedeutung von Straßennamen für ein vielfältiges, demokratisches Zusammenleben.

Heinrich von Treitschke (1834-1896) war ein deutscher Historiker, politischer Publizist und Politiker im Kaiserreich. Sein Werk und seine Einlassungen gelten heute als zunehmend problematisch: Treitschke vertrat Nationalismus und Antisemitismus und propagierte Begriffe und Einstellungen, die nicht nur historisch belastet sind, sondern auch in der Gegenwart als menschenfeindlich kritisiert werden – das Diktum “Die Juden sind unser Unglück”, welches die Nazi-Hetzzeitung “Der Stürmer” auf der Titelseite jeder Ausgabe zierte, war von ihm.

Schon seit Jahren wurde öffentlich diskutiert, ob es angemessen ist, Straßen nach Persönlichkeiten zu benennen, deren Werte heutiger demokratischer Erinnerung widersprechen. In Steglitz wurde die Treitschkestraße in diesem Zusammenhang besonders unter die Lupe genommen – vor allem, weil deren Namensgeber wiederholt für rassistische und antisemitische Positionen steht. 

Betty Katz

Betty Katz (1872- 1944) war vor dem Zweiten Weltkrieg Direktorin des jüdischen Blindenheims in der Wrangelstraße. Sie war eine bedeutende Persönlichkeit des jüdischen Lebens in Berlin. Als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie starb. 

Mit der Wahl ihres Namens will Steglitz-Zehlendorf eine würdige Person in Erinnerung rufen, deren Leben und Wirken für Mitmenschlichkeit, Bildung und Solidarität stehen – ein Kontrastprogramm zu der reaktionären, ausgrenzenden Haltung, die mit Treitschkes Ideologie zu verbinden ist.  

Der Weg zur Umbenennung

Die Umbenennung war keine spontane Entscheidung, sondern das Ergebnis langjähriger Debatten in Politik und Bürgerschaft. Schon Anfang 2025 hatte der Kulturausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf beschlossen, die Straße umzubenennen.  In der öffentlichen Diskussion spielten verschiedene Aspekte eine Rolle: Die Frage, wie Straßennamen heute als Teil des öffentlichen Raums mit der Geschichte verknüpft sind und wie sie Identität, Erinnerung und Werte transportieren, der Wunsch vieler Bewohnerinnen und Bewohner, dass Straßennamen diejenigen ehren, die nicht spalten, sondern verbinden, statt auszuschließen.

Die Umbenennung bleibt nicht ohne Diskussion, was jedoch auch ein Teil lebendiger Erinnerunskultur ist. Kritiker mahnen z.B. praktische Probleme an – neue Hausnummern, neue Beschilderungen, Adressänderungen auf Dokumenten – und warnen vor Kosten und Aufwand. Doch viele Befürworter sehen dies als notwendigen Schritt, um überkommene Ehrungen zu überdenken und eine Erinnerungskultur zu leben, die demokratische Werte ernst nimmt.

Für viele Bewohnerinnen und Bewohner Steglitz’ ist das ein wichtiges Zeichen: Die Rechenschaft über die eigene Geschichte wird nicht nur durch Museen und Gedenktafeln geführt, sondern auch unmittelbar im Straßenbild sichtbar. Betty Katz steht dafür, dass Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung nicht abstrakt bleibt, sondern menschlich vermittelt wird.

Am 1. Oktober 2025 um 14:30 Uhr wird die offizielle Umbenennung in Betty-Katz-Straße stattfinden: Der Bezirk wird für im Rahmen einer Veranstaltung an der Ecke der (Noch-)Treitschkestraße/Harry-Breslau-Park die Schilder ersetzen. Für Bürgerinnen und Bürger wird es künftig Hilfestellung bei Adressänderungen geben und auch Schulen, lokale Geschäfte, Anwohnerinnen und Anwohner sind beteiligt.

Darüber hinaus soll es mit der Umbenennung auch pädagogische Projekte verbunden geben: Gedenkarbeit in Schulen, Informationsmaterial über Betty Katz und die Geschichte jüdischer Institutionen in Berlin können zur Begleitung dienen.

Über Carsten Berger

Mitarbeiter der BVV Steglitz-Zehlendorf für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied Kulturausschuss Steglitz-Zehlendorf, Herausgeber KulturInSZ.de Kontakt: info[at]KulturInSZ.de, Twitter: @KulturInSZ
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