Am 16.9.2025 versammelten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger am alten Bahnhofsgelände in Lichterfelde West, um an der Einweihung einer neuen Infotafel teilzunehmen. Unter dem schützenden Dach der ehemaligen Güterplattform, die heute stillgelegt und von Gras und Sträuchern umwuchert ist, wurde ein Stück Berliner Nachkriegsgeschichte sichtbar gemacht: die Geschichte der US-amerikanischen Versorgungszüge, auch „Duty Trains“ genannt.
Schon die Kulisse machte den besonderen Charakter dieser Veranstaltung deutlich. Wo einst Militärzüge Soldaten ein- und ausfuhren, wo amerikanische Familien ihre Rückreise in die Heimat oder ihren nächsten Einsatzort antraten, fanden sich nun Nachbarinnen und Nachbarn, Zeitzeugen und Geschichtsinteressierte ein. Eine Gruppe von Kindern eröffnete die Feier mit einem Lied, begleitet von Ansprachen, die die Bedeutung dieses Ortes für die Geschichte des Bezirks und Berlins insgesamt betonten.
Die neue Tafel erzählt die Geschichte der Züge des Rail Transportation Office (RTO), die von 1947 bis 1994 täglich zwischen West-Berlin und den US-Stützpunkten im Rhein-Main-Gebiet sowie dem Hafen Bremerhaven verkehrten. Für die amerikanischen Soldaten und ihre Familien war diese Verbindung lebenswichtig. Sie brachte nicht nur Lebensmittel und Versorgungsgüter, sondern auch ein Stück amerikanischer Lebensart nach Berlin: Musik, Kino, Libby’s-Dosenfleisch, Elvis-Platten und den berühmten „American Way of Life“.
Besonders anschaulich wird die Erinnerung an den „Abfahrtsgruß“ vieler amerikanischer Kinder: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“, gesungen von Elvis Presley – ein Symbol dafür, wie stark sich Kultur und Alltagsleben der West-Berliner mit den amerikanischen Alliierten verflochten. Auch an das alljährliche deutsch-amerikanische Volksfest oder die Fußballturniere der Berlin Brigade wurde erinnert, die den West-Berlinerinnen und -Berlinern über Jahrzehnte hinweg eine besondere Form von Freiheit und internationaler Offenheit vermittelten.
Die Infotafel dokumentiert außerdem die symbolische Bedeutung der Plattform in Lichterfelde: Sie war Endpunkt einer Reise durch die DDR, die nur unter strengster Kontrolle und mit klar geregelten Stopps erfolgen konnte. Jeder Zug war Ausdruck des Kalten Krieges – und zugleich ein lebendiges Zeichen der transatlantischen Freundschaft.
Mit dem Ende des Kalten Krieges verschwanden auch die Duty Trains. 1994 verließ der letzte Zug Lichterfelde. Doch die Erinnerung an diese Zeit lebt weiter. Dank des Engagements der Initiative „Heimat braucht Orte“ in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, unterstützt durch die Spenden vieler Bürgerinnen und Bürger konnte dieser historische Platz nun sichtbar markiert werden.
Die alte Plattform, überwuchert und doch standhaft, wurde so zum authentischen Denkmal. Sie erinnert daran, wie nah Weltpolitik und das Leben der Menschen in Steglitz-Zehlendorf einst beieinander lagen. Die neue Infotafel macht dieses Kapitel greifbar – nicht nur für Zeitzeugen, sondern auch für künftige Generationen.



