Im Süd-Westen viel Neues: Die ersten Kunsttage-Steglitz präsentieren in drei Einzelausstellungen im Gutshaus Steglitz und in der Schwartzschen Villa Werke von Rebecca Raue, Nasan Tur und Katrin von Lehmann. In den Medien Malerei, Video- und Soundinstallation sowie Zeichnung werden aktuelle gesellschaftliche Themenfelder verhandelt, nämlich Geschlechtergerechtigkeit, Demokratie und das Genomprojekt.
In der Ausstellung “Notizen vom Rand der Zeit” im Gutshaus Steglitz thematisiert Rebecca Raue subtil die Geschichte der Ausstellungsräume, indem sie dem klassizistischen Gebäude gezielt Widerspenstiges und Wildes entgegensetzt. Auf der Suche nach einer verbindenden Ursprünglichkeit schöpft sie aus den Bildern der Vergangenheit, um eine in die Zukunft gerichtete Vision der Gleichberechtigung aufzuzeigen. Die Künstlerin setzt sich dabei mit herkömmlichen Bildern von Weiblichkeit und Männlichkeit auseinander und hinterfragt diese. Ihre Leitfragen zur Ausstellung lauten: Wo ist der Rand der Zeit? Welche Räume befinden sich jenseits dieser unsere Leben strukturierenden Größe? Wie verändert der Blick vom Rand unsere Sicht auf die Strukturen, die uns vorgegeben erscheinen? Fällt das Licht auf andere Aspekte, Geschichten und Formen? Wenn wir das, was im Schatten lag, plötzlich sehen können, wird es uns möglich, alte Muster zu brechen und Raum zu schaffen für Visionen, die von einer anderen Weisheit getragen sind? Rebecca Raue zu ihrer Titelwahl: “Ich mag die Position am Rand, weil sie ein Dazwischen suggeriert – einen Fuß da, einen Fuß da – und etwas Verbindendes hat. Es ist spannend dort zu balancieren und zu gucken, wie ich die Vielseitigkeit halten und kommunizieren kann. Ich würde sagen, der Rand ist generell eine gute Position für die Kunst.” Rebecca Raue öffnet, indem sie das Alte neu betrachtet, Räume zur Kontemplation über die Zukunft.Kuratorin: Dr. Brigitte Hausmann, Leitung Fachbereich Kultur Steglitz-ZehlendorfRahmenprogramm:
Sonntag, 19. Mai, 14 Uhr
Künstlerinnengespräch und Führung
mit Rebecca Raue und Brigitte Hausmann
Nasan Tur: Back and Forth – Schwartzsche Villa / Galerie
In der Audioinstallation Speech (2019) befreit Tur die politische Rede von den Worten, sodass nur die körperlichen Geräusche wie Atmen und Räuspern berühmter Politiker den Raum füllen. Es entsteht eine Intimität, die die Zuhörenden auf die Verletzlichkeit des Sprechers lenkt und eine Selbstbefragung zum eigenen Anspruch an die Politik auslöst.
In der von Christine Nippe kuratierten Ausstellung geht es um die Frage der politischen Teilhabe und des Verteidigens demokratischer Grundwerte. Nasan Tur dazu: “Dieser Prozess ist ein Hin und Her zwischen dem Verschwindenlassen und Wiederherstellen von etwas, zwischen Vergessen und Erinnern. Was ist wichtig? Welche Entscheidungen treffe ich in meinem Leben – und wer will ich sein?”Zum Gallery Weekend Berlin:
Künstler-Kuratoren-Führung mit Nasan Tur und Christine Nippe:
Sonntag, 28.04.2019, 14.00 Uhr
Katrin von Lehmann: Leerstellen des Unbekannten/Nichts stimmt mehr – Schwartzsche Villa / Atelier
Seit 2009 untersucht die Zeichnerin Katrin von Lehmann vor allem das Themenfeld Kunst und Wissenschaft. Besonders interessiert sie das Experiment und sein innewohnendes Potential, die komplexen, chaotisch anmutenden Prozesse in den Lebenswissenschaften zu erklären. Das heißt, dass Unbekanntes und Unerforschtes in einer experimentellen Anordnung sichtbar gemacht werden kann. Nach Recherchen zu Themen wie Wolkenklassifikation, Zellkernteilung, menschliche Vielfalt und genetische Grundlagenforschung entwickelt sie – oft von Interviews mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angeregt – künstlerische Experimentalanordnungen.
Vom 13.3. bis 11.4. wird sie in dem Dachatelier der Schwartzschen Villa eine neue Versuchsanordnung ihres mehrjährigen Projekts ‘Leerstelle des Unbekannten/Nichts stimmt mehr’ entwickeln.
Ausgangspunkt und Motivation des 2015 begonnenen Projekts war das Ergebnis des Human-Genom-Forschungsprojekts, das den bisherigen Wissensstand zum genetischen Prozess in Frage gestellt hat. Auch ihr Projekt zur Erforschung der Zeichnung beruht auf der Suche nach neuen Zusammenhängen.
Im Dachatelier wird sie ihre Versuchsanordnung auf den Raum beziehen. Wie wird ihr Regelwerk umzusetzen sein, wenn der Zeichnungsträger nicht der Tisch ist, sondern die physischen Begrenzungen und Wände des Raumes?
(Die Ausstellungen von Rebecca Raue und Katrin von Lehmann werden von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa – Ausstellungsfonds für die Kommunalen Galerien der Berliner Bezirke und des Bezirkskulturfonds gefördert. Die Ausstellung von Nasan Tur wird gefördert aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kultur und Europa – Spartenoffene Förderung und Ausstellungsfonds für die Kommunalen Galerien der Berliner Bezirke.)
Text: Kulturamt Steglitz-Zehlendorf