Musikschulen in Gefahr?

Die Situation an den öffentlichen Musikschulen wird -weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit- immer schwieriger: Bezahlung der MusiklehrerInnen und Abrechnungsformalitäten haben sich verschlechtert.

Leo-Borchardt-Musikschule

Leo-Borchard-Musikschule


Das Modell einer öffentlichen Musikschule reicht in Berlin zurück in die 1920er Jahre: Leo Kästner gründete damals die erste Musikschule Berlins in Charlottenburg. Erklärte Ziele waren schon damals dezidiert die Breitenbildung, aber auch die Begabtenförderung.

Nach dem Krieg bis 1979 waren auf Anordnung der Alliierten Volkshochschule und Musikschule zu einer Verwaltungseinheit zusammengefasst. Nicht zuletzt auch aufgrund der herausgehobenen finanziellen Situation Berlins und bestimmte Förderprogramme für die Stadt in Insellage bildete sich eine einzigartige Musikschullandschaft heraus: von der engagierten Alleinerziehenden über den „wirren Künstler“ bis zum hochkarätigen Musikprofessor am Feierabend fanden sich die unterschiedlichsten Charaktere und Biografien als freie DozentInnen der Musikschulen. Die Bezahlung war gut, der Arbeitsumfang stark selbst gestaltbar, die Szene relativ bunt. Man kam stets unter, auch ohne eine Festanstellung.

Nach der Wende ergab sich jedoch eine Stagnation bei den Gehältern der freien DozentInnen (nur etwa 15% sind feste Kräfte der Musikschulen und unterliegen normaler Besoldung) auf einem Niveau, an dem die anderen Bundesländer rasch vorbei zogen. So betrug der Durchschnitt der Gehälter 2008-12 nur noch 1237,- EUR, Urlaubsentgelte entfielen und zu zwei Terminen im Jahr kann dem Dozenten bzw. der Dozentin -sogar völlig ohne Angabe von Gründen- gekündigt werden. 85% der DozentInnen streben einer Umfrage nach mittlerweile eine feste Stelle an.

Im März 2011 schließlich wandelte sich die Situation nochmals: Die Deutsche Rentenversicherung wandte sich per Brief an die Musikschule Marzahn-Hellersdorf mit der Auskunft, dass es sich bei der Beschäftigungsform der DozentInnen um eine Scheinselbständigkeit handele. Dies ist so nicht von der Hand zu weisen, da DozentInnen in der Regel ja nicht selbständig auf “KundInnen” zugehen und zumeist auch das technische Equipment und die Infrastruktur der Musikschulen nutzen. Es musste also eine neue Regelung gefunden werden.

Diese legte die Berliner Bildungssenatorin mit ihrer “AV Honorare” (AV= „Ausführungsverordnung”) vor: Sie bedeutet unter anderem eine Vergütung von 19,23 EUR pro Musikunterrichtsstunde, Übertragung der Stundenausfallrisiken auf den/die DozentIn und eine Einzelstundenabrechnung – schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen also für die häufig hochqualifizierten DozentInnen, die nicht selten an mehreren bezirklichen Musikschulen Berlins parallel unterrichten und damit auch die Fahrtzeiten zwischen den Stunden in Kauf nehmen müssen. Dazu kommt auch noch eine äußerst fehlerhafte Software der Einzelstundenabrechnung – so fehlerhaft, dass sie bis jetzt nicht eingeführt werden konnte und in Demonstrationsveranstaltungen abstürzte.

Viele der langjährigen DozentInnen quittierten diese Bedingungen bisher schon mit ihrem Rückzug aus der Unterrichtstätigkeit.

Was bleibt also zu tun? Die Tarifverhandlungen der Koalitionsfraktion auf Berliner Landesebene beobachten… und: natürlich die Möglichkeiten der bezirklichen Musikschule nutzen!

Link:
www.musikschule-steglitz-zehlendorf.de

Über Carsten Berger

Mitarbeiter der BVV Steglitz-Zehlendorf für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied Kulturausschuss Steglitz-Zehlendorf, Herausgeber KulturInSZ.de Kontakt: info[at]KulturInSZ.de, Twitter: @KulturInSZ
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