Zehn mal zehn Zentimeter Messing im Straßenpflaster. Ein Name. Lebensdaten. Stichworte. Stumme Botschafter eines Schicksals der Verfolgung eines Menschen unter den Nazis. Das ist das Projekt “Stolpersteine” des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Ein erfolgreiches: In den 20 Jahren seines Bestehens sind ca. 48.000 Stolpersteine in Deutschland und 17 weiteren Staaten verlegt worden (laut taz) – es dürfte damit mit Abstand das raumgreifendste, gesamteuropäische Kunstwerk der Erinnerungskultur sein.
Doch mittlerweile wird auch Kritik daran laut: Angehörige der Opfer, die auf den Stolpersteinen geehrt werden, beklagen, dass der Grund für Verschleppung und Tod in der Sprache der Nationalsozialisten angegeben ist – d.h. also zum Beispiel “Rassenschande”, wenn es sich um eine Beziehung jüdischer und nichtjüdischer Menschen handelte. Damit
werde das Unrecht fortgesetzt und zementiert, so die Argumentation. Und Kritik wird in diesem Zusammenhang wohl auch am Umgang des Künstlers mit diesen Einwänden geäußert – arrogant nehme er sie gar nicht zur Kenntnis. Doch auf der anderen Seite: stellt eben die Verwendung der Originalsprache der Nazis sie damit als unmenschliche Täter nicht auch gerade bloß? Was sollte stattdessen auf den ja auch von der Größe begrenzten Steinen stehen? Kann eine andere, breitere Erklärung dieselbe Wirkmächtigkeit haben?
Wie sollte man die in großer Menge verlegten Messing-“Steine” ändern?
Diese und andere Fragen müssen in München vorerst nicht erwogen werden: in dessen Stadtgebiet liegt bisher kein einziger Stolperstein im öffentlichen Straßenland. Die Stadtväter haben sich bisher immer dagegen entschieden – insbesondere mit Bezug auf die Präsidentin der dortigen jüdischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch. Ihr ist es ein Greuel, dass die Stolpersteine “im Dreck” liegen, mit Füßen getreten werden. Daher sieht sie darin kein würdevolles Gedenken.
Auf welche Seite man sich auch immer stellen mag: schon alleine der Diskurs und die Beschäftigung mit diesem Kunstwerk helfen, das Andenken aufrecht zu halten, die Botschaft buchstäblich die Straße zu tragen: “Nie wieder!” Und auch an diesem Wochende kann man in unserem Bezirk dieser Botschaft Nachdruck verleihen:
Am 2.11.14 um 10 Uhr wird in der Ernst-Moritz-Arndt-Kirche, Onkel-Tom-Straße 80, ein Gottesdienst zu den Stolpersteinverlegungen gefeiert und im Anschluss an den Gottesdienst finden Stolpersteinverlegungen statt:
vor dem Haus Wilkistraße 52 B für Hermann Gerber
vor dem Haus Eschershauser Weg 11 für Klara Durau
vor dem Haus Eschershauser Weg 15 für Anna Friedberg
vor dem Haus Am Fuchspass 36 für Bruno Goetz
vor dem Haus Argentinische Alle 40
(Krankenhaus Waldfrieden) für Elsbeth Krame
Wer erfahren möchte, ob in seiner Straße ebenfalls Menschen von den Nazis verschleppt und ermordet wurden und um eine Stolpersteinsetzung daher anzuregen, kann sich an den Arbeitskreis “Nationalsozialismus in Steglitz und Zehlendorf” beim Kulturamt wenden: www.kultur-steglitz-zehlendorf.de/ueber_uns.html.