Erste kulturelle Spuren: Die Anfänge von Steglitz-Zehlendorf

Kugelamphore

Die ersten Belege menschlicher Anwesenheit im heutigen Bezirk Steglitz-Zehlendorf stammen bereits aus der Steinzeit, genauer  gesagt der ausgehenden Altsteinzeit, also der Zeit vor etwa 8000 bis 10000 Jahren. Zu dieser Zeit zogen die Menschen noch als nomadische Rentierjäger umher und begannen erst langsam sesshaft zu werden. Ihr Hauptwerkzeug war das Steinbeil. Einige solcher Beile wurden am Steglitzer Fichtenberg gefunden. Doch auch in der Jungsteinzeit, als die ersten Bauern anfingen Viehzucht und Feldwirtschaft zu betreiben, gibt es im Bezirk kaum Belege für eine dauerhafte Ansiedlung. Einzige Ausnahme bilden einige Gefäße der so genannten Kugelamphorenkultur, die 1926 beim Kiesabbau an der Goerzallee entdeckt wurden. Leider sind die genauen Fundumstände nicht überliefert, so dass man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es sich um Grabbeigaben oder einen Siedlungsfund handelt.

Pfaueninsel, Karte von 1810

Deutlichere Spuren gibt es dann erst aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus. Bereits 1837 stießen Arbeiter bei der Terrassierung einer kleinen Anhöhe auf der Pfaueninsel im Ortsteil Wannsee  auf die verfaulten Reste eines Holzkästchens, in dem eine Reihe von Ringen und Spiralbändern aus massiver Bronze lagen. Der Fund wird der Frühbronzezeit zugeordnet. Das Deponieren von Gegenständen aus Bronze ist typisch für die gesamte Epoche der Bronzezeit. Bis heute umstritten ist jedoch die Deutung dieser Sitte. So kann es sich um vergrabene Schätze handeln, es ist aber auch möglich, dass die Bronzehorte als Opfergaben für die damaligen Gottheiten dienten.

Mittelalterlicher Brunnen, Museumsdorf Düppel

An der Goerzallee kamen Ende der sechziger Jahre schließlich die Spuren eines ganzen Dorfes zutage. Es handelt  sich damit um die erste sicher nachweisbare, dauerhafte Ansiedlung auf dem Gebiet des heutigen Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Neben zahlreichen Hausgrundrissen konnten auch die Reste eines Brunnens freigelegt werden, der durch seine teilweise erhaltene Holzeinfassung nicht nur eine genaue Datierung der Siedlung in die Zeit um 1000 vor Christus möglich machte, sondern auch über 100 Tongefäße enthielt, in denen Reste von Honig, Gewürzen und Getreide nachgewiesen wurden. Die Wissenschaftler deuten den Befund auch hier als Ausdruck religiösen Lebens: Durch die in den Brunnenschacht geworfenen Opfergaben versuchten die damaligen Menschen ihre Götter gnädig zu stimmen.

Eine weitere spätbronzezeitliche Ansiedlung wurde 1997 bei Ausgrabungen an der Wismarer Straße entdeckt. Dort fanden die Archäologen auch einen Friedhof der vorrömischen Eisenzeit mit über 200 Urnenbestattungen. Dies belegt, dass auf dem Gebiet des Bezirks auch in der Zeit um 500 vor Christus Menschen gesiedelt haben.

Rekonstruiertes mittelalterliches Bauernhaus, Museumdorf Düppel

Aus der Zeit des Mittelalters, weit über 1000 Jahre später, liegen dann erstmals auch schriftliche Überlieferungen vor. Das erste schriftlich erwähnte Dorf auf dem Gebiet des heutigen Berlin ist Lankwitz. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1239 geben die gemeinsam regierenden Markgrafen Johann I. und Otto III.  das Dorf an das neu gegründete Benediktiner Nonnenkloster „St. Marien“ in Spandau. Eine weitere Urkunde belegt kurz darauf im Jahr 1242 den Verkauf des Dorfes „Slatdorp“ am „Slatsee“ an das Zisterzienserkloster Lehnin. Der Name „Slat“ ist slawischen Ursprungs und deutet wahrscheinlich auf eine durch Pfähle befestigte Ufersiedlung hin. An diese erste bekannte Ansiedlung am Schlachtensee erinnert  noch heute der „Slatdorpweg“, ein von der Lindenthaler Allee bis zur Salzachstraße, entlang der S-Bahn verlaufender Fußweg. Ebenfalls im Jahr 1242 taucht erstmals der Name des Adligen „Heinrich von Stegelitze“ auf. Ob es sich dabei auch um den Namensgeber von Steglitz handelt, ist nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise ist der Name slawischen Ursprungs und bezeichnet eine Ansiedlung am Bergabhang. Die Lage des Dorfes am Fuß des Fichtenberges deutet in diese Richtung. Nicht urkundlich erwähnt ist ein weiteres Dorf, das in den sechziger und siebziger Jahren am Machnower Krummen Fenn ausgegraben und teilweise rekonstruiert werden konnte.  Im Museumsdorf Düppel können Interessierte heute bei zahlreichen Vorführungen den Alltag in einem mittelalterlichen Bauerndorf hautnah erleben.

Die an ein Hufeisen erinnernde Form des Dorfs wird gemeinhin den Slawen zugeschrieben. Neuere Erkenntnisse der Archäologie zeigen jedoch, dass sich die Form der Dörfer meist mehr an den landschaftlichen Gegebenheiten als an einer „nationalen“ Zuordnung orientierte. Gegen eine rein slawische Ansiedlung spricht auch die während der Ausgrabungen zutage gekommene Keramik, denn der Anteil an slawischer Tonware betrug hier nur etwa drei Prozent. Einige der Gefäße weisen stattdessen starke Ähnlichkeiten mit niederländischen Funden auf. Auf Siedler aus dem flämisch-niederrheinischen Gebiet weist auch der Name des benachbarten, 1289 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes „Lichtervelde“ hin.

Typisch slawische Trachten, Frau mit Schläfenring (links)

Dass es sich wahrscheinlich um eine Mischbevölkerung handelte, belegen aber wiederum die Funde slawischer Schläfenringe in Düppel. Der Kulturkontakt zwischen Deutschen und Slawen im Rahmen der deutschen Ostsiedlung des Mittelalters ist bislang ein wenig erforschtes Kapitel. Mittelalterliche Quellen wie Chroniken oder Heiligenviten geben gewöhnlich nur Auskunft über Mord und Totschlag oder Erfolge bei der Missionierung der Heiden. Die sehr oft durchaus friedlichen Beziehungen zwischen deutschen und slawischen Siedlern im Grenzgebiet, vor allem auf der Ebene der einfachen Bevölkerung, sind kaum dokumentiert. Auch die Archäologie vermag hier das Dunkel der Geschichte leider nur spärlich zu erhellen.

Die Siedlungen am Schlachtensee und am Krummen Fenn wurden bereits nach wenigen Jahrzehnten wieder aufgegeben. Der Grund hierfür dürften die landwirtschaftlich wenig ergiebigen, sandigen Böden gewesen sein. Bessere Bedingungen fanden die Menschen nicht viel weiter, im von den Lehniner Mönchen neu gegründeten Zehlendorf, hier gab es fruchtbaren Lehmboden.

Weiterführende Literatur:

Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 23. Berlin und Umgebung. Theiss 1991

Adriaan von Müller, Die Archäologie Berlins. Lübbe Verlag 1986

Bildquelle:

Wikimedia Commons

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Florian Hessler M.A. Archäologe, Historiker und Sozialwissenschaftler, lebt seit 1997 in Berlin und arbeitet derzeit als freier Online- und Printjournalist. florian.hessler.official (at) web.de
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