Cerstin Richter-Kotowksi (CDU) ist 1962 geboren, studierte Juristin. Seit 2006 ist sie Stadträtin für Bildung, Kultur und Bürgerdienste in Steglitz-Zehlendorf und seit 2011 auch für die Bereiche Schule und Sport zuständig.
KulturInSZ.de: Was war in Ihrer bisherigen Amtszeit besonders wichtig?
Die Rückverlagerung der Großen Kunstausstellung dieses Jahr wieder in die Charité – das ist ein wichtiger Punkt, dass das wieder so stattfindet, weil sie im Rathaus Zehlendorf nicht optimal untergebracht war. Da bin ich sehr froh, da gab es viele Verhandlungen. Das ist nun geglückt und ich finde auch den Titel schön: „Kunst-Visite“. Das Zweite ist und bleibt die weitere finanzielle Absicherung des Hauses am Waldsee über die zwei Säulen Spenden/Förderverein, Institutionelle Förderung durch den Bezirk. Dort ist es geglückt, für 2014/15 eine Förderung durch den Senat zu avisieren. Das möchte ich verstätigen – es gibt auch schon Pläne für einen Erweiterungsbau dort. Das Dritte ist das Schlossparktheater. Ich liebe Paris, aber hier in Berlin, finde ich, sollte man sich dazu bekennen, dass Kunst und Kultur nicht nur in den großen Häusern in der Mitte der Stadt stattfindet. Eine kurzfristige Förderung über Lotto-Mittel ist hier zwar richtig, aber dauerhaft der falsche Weg… das klarzumachen, ist einer meiner Schwerpunkte. Ich wünsche mir auch eine kulturelle Nachnutzung der Dahlemer Museen, keine Hotelkomplexe. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.
Und last, but not least: die Grabertstraße. Das Gebäude der Musikschule dort wieder im Bewusstsein der Bevölkerung zu haben. Das ist ein Kleinod, das es gilt zu bewahren – auch mit dem Schwerpunkt musikalische Früherziehung.
KulturInSZ.de: Was waren für Sie persönlich besonders herausragende Momente?
Da gab es viele – in der jüngsten Vergangenheit fand ich besonders schön das Konzert der Gäste aus Zugló in Zusammenarbeit mit der Liebermann-Villa: der blühende Garten, die Musik dazu und dahinter die Segelschiffe…
Ich hoffe auch, dass es mir gelingt, die Rathauskonzerte wieder aufleben zu lassen.
KulturInSZ.de: Wie schätzen Sie die Kulturszene des Bezirkes ein?
Sehr lebendig, sehr breit. Wir haben viele renommierte Künstler, die im Bezirk wohnen – von Bildhauern bis zu neuer Musik. Ich würde mir wünschen, dass Steglitz-Zehlendorf nicht nur als Wohnort, sondern auch als “Lebensort” wahrgenommen wird.
KulturInSZ.de: Welche Schwerpunkte haben Sie für die Zukunft?
Neben der Grabertstraße natürlich auch das Angebot der Volkshochschule im Haus der Weiterbildung in der Goethestraße. Dort sind viele Ideen, wie z.B. Kooperationsangebote, junge Menschen weiter zu qualifizieren… Es gehören natürlich auch die Bibliotheken dazu, nicht nur die Ingeborg-Drewitz-Bibliothek. Da gilt es, das Angebot weiter zu entwickeln. Die Mitarbeiter haben hier viele, viele Ideen. Hier gibt es auch die Musikbibliothek, wo schon jetzt auch die Übungsräume genutzt werden. Die Gottfried-Benn-Bibliothek soll behindertengerecht ausgebaut werden und mit einem einen 24-Stunden-Rückgabeschalter versehen werden. Oft vergessen wird auch, dass die Fahrbibliothek Ausleihzahlen in der selben Höhe wie die Kiezbibliothek hat. Ferner die Anbindung des Blindenmuseums und der Blindenbibliothek, eine Braille-Bibliothek.,. Diese wollen wir an die Ausleihe anschließen. Da gibt es echte Schätze, die noch gezeigt werden können.
KulturInSZ.de: Welche Bedeutung hat für Sie die freie Szene?
Ich bilde mir ein, dass wir eine haben. Allerdings gibt es hier strukturelle Unterschiede zu anderen Bezirken: wir haben keine riesigen Freiflächen, stillgelegte Schulen oder Industriebauten, wo sich so etwas traditionell entwickelt. Bildende Kunst in Einfamilienhäusern haben wir aber eine ganze Menge.
KulturInSZ.de: Wie stehen Sie zu den Musikschul-Dozentengehältern?
Ich habe es immer so vertreten, dass wir hier in Steglitz-Zehlendorf nichts anderes machen, als was berlinweit vom Senat vorgegeben wird. Insgesamt meine ich, dass es an der Zeit ist, sich mit der Honorarstruktur von Musikern auseinanderzusetzen. Da ist vieles tradiert worden und man muss diskutieren, ob der Weg, der in Berlin (West) in den 80er Jahren gegangen worden ist, heute noch richtig ist. Ich stehe dazu: für mich ist ein fest angestellter Musikschullehrer kein besserer, als jemand, der als Honorarkraft bei uns eingestellt ist. Ich mache da keinen Unterschied. Man muss sich mit der Ausbildung, die heutige Musikschullehrer haben, mehr auseinandersetzen. Natürlich haben wir auch heute noch Honorarkräfte, die keine künstlerische Ausbildung haben, aber wir haben auch Musikprofessoren dabei – und die kann ich nicht gleich behandeln. Dort muss man zu einer anderen Diskussion kommen: Ein Geigenprofessor muss für ein 6-jähriges Mädchen nicht ideal sein. Er ist vielleicht in der Studienvorbereitung besser aufgehoben. Und jemand, der sagt, er könne mit kleineren Kindern besser umgehen, ist vielleicht dort besser aufgehoben. Man muss schauen, wen man wo einsetzt. Und je höher qualifiziert – und dotiert- muss er dann natürlich auch in passenden Regionen eingesetzt werden. Das ist eine Diskussion, die man führen muss. Die bisherige Linie ist: so hoch qualifiziert wie möglich. Ich halte das nicht für richtig, denn wir machen ja auch Unterschiede bei Grundschullehrern und Studienräten. So etwas kann sich ja auch an der Musikschule widerspiegeln.
KulturInSZ.de: Was wollen Sie dort konkret unternehmen? Sie sitzen selbst ja auch im Landesmusikschulbeirat?
Das müssen wir im nächsten Jahr anpacken – unter dem Stichwort: “ Was ist mir kulturelle Bildung wert?”- das ist eine Diskussion, die ich anstoßen möchte. Ich habe da unter den Stadträten auch Mitstreiter, mit denen wir dieses Thema sicher anpacken können. Dieses Jahr sind die Musikschulen allerdings mit der Umstellung auf die neuen Honorarverträge ausgelastet.
KulturInSZ.de: Wie bewerten Sie die “AV Honorare” von Frau Scheeres?
Die etwa 20 Euro/Unterrichtsstunde sind ein reines Rechenschema gewesen und zunächst einmal richtig. Ich meine aber, dass die Bemessungsgrundlage, die man gewählt hat, um das einzelne Honorar zu errechnen, nicht die richtige gewesen ist, weil man als Basis eine Dotierung im Öffentlichen Dienst genommen hat, die für Festangestellte gilt (Vc BAT). Diese hat man auf 30 Stunden heruntergerechnet und danach alles andere berechnet. Wenn jeder also volle 30 Stunden hat -und die Ferienzeiten sind dabei mit eingerechnet- dann kommt man zu dem Ergebnis, welches -wenn man die Bemessungsgrundlage anerkennt- richtig ist. Aber ein Großteil der Musiklehrer hat eben nicht die Sicherheit von 30 Stunden und da gilt: ich muss, wenn sie Selbständige sind, sie auch wie Selbständige behandeln, d.h. ich muss ihnen höhere Dotierungen geben, so dass sie Ausfallzeiten (also nicht Ferien, sondern z.B. Vertragskündigungen durch Schüler) auffangen können. Das muss nicht ins Unermessliche steigen und auch eine Differenzierung z.B. nach Qualifikation muss vorgenommen werden. Es wurden zwar schon Versicherungsbeträge mit einberechnet, aber die Honorare sind meiner Meinung nach für Selbständige nicht angemessen. Da hat sich in den letzten 30 Jahren viel geändert: es sind heute Menschen, die davon leben. Früher war es oft ein Nebenjob für Angestellte im Öffentlichen Dienst.
Hier muss eine lineare Anpassung auch über Entgelte vorgenommen werden, aber wir müssen dabei aufpassen, wenn private Musikschulen ihre Dienstleistungen billiger anbieten als die öffentlichen: das Preisgefüge muss in etwa gleich bleiben. Es ist aber schon jetzt so, dass die öffentliche Hand die Honorare der Musikschullehrer mitfinanziert.
KulturInSZ.de: Welche Tendenzen sehen Sie im bezirklichen Kulturbetrieb?
Ich glaube, man muss nicht immer großartig etwas verändern. Manchmal ist es auch gut, das, was man hat, zu behalten…und das ist -glaube ich- auch Aufgabe von Stadträten, die Weiterentwicklung, wie sie von Bürgern und Mitarbeiten gefordert wird, zu begleiten. Und ich muss auch aufpassen, dass im Bereich Kultur nicht mehr und mehr eingespart wird.
KulturInSZ.de: Welche Musik hören sie aktuell, was lesen Sie?
Das ist sehr breit. Ich höre sehr gerne Unterhaltungsmusik, etwa Max Raabe. Aber auch gerne klassische Musik, zum Beispiel Vivaldi. Und selbst spiele ich Cello. Meine Entspannung finde ich in der Küche beim Kochen… und da laufen dann immer CDs dazu. Gelesen habe ich gerade das Buch von Ulrike Sterblich: “Kindheit in Berlin-West”. Genauso gerne aber auch “Die drei Musketiere” und Biographien, in diesem Sommer “Lawrence von Arabien”.